Der parlamentarische Ausschuss für außenpolitische Fragen hat gestern einen Gesetzesentwurf zur Beendigung der diplomatischen Beziehungen zwischen Ukraine und Russischer Föderation gebilligt. Im Ausschuss stimmten vier Abgeordnete für das Gesetz, zwei enthielten sich und eine Abgeordnete stimmte dagegen. Mehrere Abgeordnete waren nicht zur Sitzung erschienen. Forderungen, die diplomatischen Beziehungen mit der Russischen Föderation zu beenden, werden nicht das erste Mal laut. Sie kommen ausschließlich von konservativen, rechtspopulistischen und rechtsradikalen Lagern und treffen in der aufgeheizten Stimmung im Land immer wieder auf Akzeptanz in der Gesellschaft.

Zu den Autoren des Gesetzesentwurfs zählt unter anderem Yuriy-Bohdan Shukhevych, Sohn des Nationalistenführers Roman Shukhevych. Er gründete, nach seiner Rückkehr aus der sibirischen Verbannung 1990, die ultranationalistische Organisation UNA-UNSO. Als Vorsitzender der Organisation unterstützte er, auch mit Waffen und Personal, die russischen Aggressoren im Transnistrienkrieg und drängte den damaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kravchuk, die von Moldawien abgespaltenen Gebiete an die Ukraine anzugliedern. Später schickte er auch ein Kontingent nach Tschetschenien, welches auf Seiten mehrerer tschetschenischer Verbände gegen die russische Armee kämpfte. In Oleh Lyashkos Radikaler Partei fand Shukhevych im Jahr 2014 eine neue politische Heimat und zog für die Partei in die Verkhovna Rada ein.

Über Oksana Korchynska sagen viele, sie wäre lediglich anstelle ihres Mannes ins Parlament gewählt worden. Mit der Nominierung ihres Mannes hätte die Radikale Partei von Rechtspopulist Oleh Lyashko schließlich einen schwerwiegenden Imageverlust hinnehmen müssen. Denn ihr Mann, Dmytro Korchinskyi, ist rechter Ideologe und panslawistischer Esoteriker. Er bezeichnet sich gerne selbst als Literaten, Dichter sowie politischen Denker und propagiert eine Ideologie die er als Orthodoxen Nationalanarchismus bezeichnet. Nach seinem Ausschluss aus der UNA-UNSO gründete er die rechtsradikale Partei Bruderschaft. Er war Mitglied von Dugins Eurasischer Union der Jugend, und paktierte zu Zeiten der Orangenen Revolution mit der Progressiven Sozialistischen Partei der Ukraine, einer russisch-völkischen nationalbolschewistischen Partei unter der Regie Nataliya Vitrinenkos. Über Vitrinenko stellte er auch den Kontakt zu Viktor Medvechuk her. Der Milliardär gilt als Advokat des panslawistischen und großrussischen Imperialismus von Vladimir Putin. Korchinskyi gilt zudem als Organisator der Gewalteskalation auf der Bankova am 1. Dezember 2013, die zu einer Verschärfung von Versammlungsgesetzen führte und die Hemmschwelle bei Polizei und Protestierenden senkte.
Der aus Cherkasy stammende Oleh Petrenko zog über den 194. Wahlbezirk für den Block Petro Poroshenko „Solidarität“ ins Parlament ein. Während seiner Studienzeit in Kharkiv knüpfte er Kontakte in die dortige rechtsradikale Szene, unter anderem zur Wehrsportgruppe Patriot. Mitglieder der Organisation, wie etwa Vadym Troyan und Andriy Biletskyi pflegten ein enges Geschäftsverhältnis zum damaligen Bürgermeisterkandidaten Arsen Avakov. Der heutige Innenminister protegiert dafür seine ehemaligen Geschäftspartner im Regiment Asov, im Innenministerium und der Polizei. Im selben Regiment diente schließlich auch Petrenko, der sich mittlerweile vom Block Petro Poroshenko distanziert und bereits mehrmals mit einem Fraktionsaustritt gedroht hat.

Volodymyr Parasyuk wurde vor allem wegen einer Rede auf dem Maidan berühmt. Nach dem Massaker auf der Instytutska forderte er den Präsidenten und die Regierung zum sofortigen, bedingungslosen Rücktritt auf und drohte mit einem Sturm des Regierungsviertels. Noch in der selben Nacht floh Yanukovych mit seinen ergaunerten Reichtümern nach Russland und machte den Weg für Neuwahlen frei. Parasyuk gehörte dem von Yaroslava Stetsko gegründeten Kongress Ukrainischer Nationalisten an und steht als fraktionsloser Abgeordneter den rechtspopulistischen Parteien Radikale Partei sowie Ukrop nahe. Er nahm aktiv an der Blockade der Krim vom September 2015 bis Februar 2016 teil und wurde seit seiner Wahl mehrmals wegen Körperverletzung angezeigt. Zudem beschaffte er mehreren Freunden und Familienmitgliedern Posten in seinem Landkreis und steht im Verdacht, Spenden für Soldaten an der Front veruntreut zu haben. Am Abend des 30. März 2016 entging er einem Anschlag, als die auf sein Fahrzeug geworfene Granate von Ästen abgelenkt wurde und hinter seinem stehenden Fahrzeug explodierte.

Experten sehen allerdings keine Gefahr für die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden verfeindeten Staaten. Das Gesetz muss auf seinem Weg zur Abstimmung noch weitere Ausschüsse, Vorabstimmungen und juristische Prüfungen durchlaufen. Schon jetzt ruft der Abgeordnete und Mitglied des außenpolitischen Ausschusses, Volodymyr Aryev, seine gestrige Zustimmung zurück. Somit muss der Entwurf nochmal zur Abstimmung in diesen Ausschuss, in dem er aller Wahrscheinlichkeit nach stecken bleiben wird. Sollte der Entwurf wider aller Erwartungen doch irgendwann einmal zur Abstimmung im Parlament vorgelegt werden, ist ein Mehrheit für das Gesetz nicht denkbar. Wenn doch, so würde Präsident Petro Poroshenko seine Unterschrift verweigern. Schließlich ist die Position der Regierung klar. Schon vor wenigen Wochen machte Außenminister Pavlo Klimkin deutlich, dass der Abbruch der diplomatischen Beziehungen nur Nachteile mit sich bringen würde:
Im Falle des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen werden Verhandlungen nur noch durch Stellvertreter geführt. Ich bezweifle, dass eine Situation, in der Fragen über uns ohne uns entschieden werden, die beste Lösung wäre. Russland muss ein untrennbarer Bestandteil der Lösung dieses Problems sein. Diese Position vertritt auch der Rest der zivilisierten Welt. Für den Schutz der Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine werden wir alle uns zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen. Und wenn in Zukunft neue Mittel für die Verteidigung nötig sein sollten, werden wir auch diese finden.
So Klimkin in einem Gespräch mit der Redaktion Slovo i Dilo. Auch in der Gesellschaft fällt die Bewertung des Entwurfs zwar unterschiedlich, aber meist negativ aus. Viele selbsternannte Patrioten begrüßen zwar einen solchen Kurs und fordern teilweise sogar noch mehr Isolationismus, andere jedoch, vor allem jene die Angehörige in Russland haben, lehnen ein solches Gesetz strickt ab. Menschenrechtsorganisationen verweisen zudem auf die Schicksale der in Russland inhaftierten Staatsbürger der Ukraine. Ohne den diplomatischen Beistand der Botschaft und der Konsulate wäre sie auf Hilfe russischer Hilfsorganisationen angewiesen, oder gänzlich auf sich allein gestellt. Die nationalistischen Verfasser des Entwurfs haben mit diesem Rohrkrepierer wieder einmal nur für Unruhe gesorgt. Aber das scheint ohnehin ihre einzige Qualifikation zu sein.